Fünf Fragen an…..

Dr. Mathis Schaller, Rechtsanwalt im Arbeitsrecht bei Gleiss Lutz

1. Herr Dr. Schaller, warum haben Sie sich in Ihrer Dissertation mit dem Pension Buy-out beschäftigt? Ist Ihnen dieses Thema in der Praxis denn besonders häufig begegnet?

Als ich das erste Mal von der Möglichkeit zur Übertragung von Pensionsverbindlichkeiten auf kommerzielle Anbieter gehört habe, wurde das Thema noch vor allem theoretisch besprochen. Die Idee fand ich sehr spannend und wollte zu dieser Diskussion einen Beitrag leisten. Zwar gab es unter der Beteiligung von VEDRA Pensions schon erste Praxisbeispiele. Erst während des Verfassens meiner Dissertation wurde aus dem Pension Buy-out aber ein echtes Praxisthema. Mittlerweile sprechen uns auch Mandanten immer häufiger darauf an.

2. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich schon in seinem Urteil vom 11. März 2008 (3 AZR 358/06) ausführlich mit Rentnergesellschaften auseinandergesetzt. Wie sehr bestimmt dieses Urteil die wissenschaftliche Diskussion?

Die Diskussion dreht sich vor allem darum, wie das BAG-Urteil aus heutiger Sicht und in Anbetracht des kurz danach in Kraft getretenen Bilanzmodernisierungsgesetzes (BilMoG) interpretiert werden sollte. Diese Kontextualisierung des Urteils ist wichtig. Statt eigene Bewertungskriterien zu entwickeln, würde das BAG heutzutage vermutlich auf die gesetzgeberische Wertung aus § 253 Abs. 1 S. 2 HGB („Erfüllungsbetrag“) zurückgreifen, um zu beurteilen, ob eine Rentnergesellschaft hinreichend ausgestattet wurde.

Aus meiner Sicht kommt in der Diskussion des Urteils aber zu kurz, dass sich das BAG in seiner Entscheidung gar nicht mit der Übertragung auf kommerzielle Anbieter beschäftigt hat. Es ging gerade nicht um eine kommerziell genutzte Rentnergesellschaft. Deshalb konnte das BAG in seiner Entscheidung auch das buyout-spezifische Risiko nicht adressieren.


3. Was ist aus Ihrer Sicht das buyout-spezifische Risiko und was schlagen Sie vor, um es zu minimieren?

Das Risiko liegt nicht allein in der hinreichenden Ausstattung der Rentnergesellschaft. Wichtig ist stattdessen vor allem, was nach der Transaktion geschieht. Das buyout-spezifische Risiko ist aus meiner Sicht ein drohender Wertverlust der Ausstattung durch einen Fokus des Pension-Buyout-Anbieters auf die Erzielung von Überrenditen bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Versorgungssicherheit. Das Geschäftsmodell beinhaltet insofern einen Zielkonflikt, der von den Buyout-Anbietern selbst austariert werden muss. Für „schwarze Schafe“ entsteht daraus ein Missbrauchspotenzial, das den seriösen Anbietern und der Verbreitung des Pension Buy-outs insgesamt schaden kann.

Deshalb habe ich mit der sog. „Ausstattungssicherungspflicht“ ein erweitertes Schutzkonzept vorgeschlagen, das sich folgendermaßen zusammenfassen lässt: Die Leistungsfähigkeit einer Rentnergesellschaft durch die einmalige Ausstattung bloß potenziell sicherzustellen, wird dem Schutz des Vertragszwecks der Versorgungszusage nicht gerecht. Der Arbeitgeber kann keine „Pay-and-Forget“-Enthaftung erwarten, wenn er Direktzusagen auf einen Anbieter überträgt, der gewinnorientiert wirtschaftet und selbst über das eigene Risikoprofil entscheidet. Stattdessen muss die Aussicht des Arbeitgebers auf eine finale Enthaftung meines Erachtens mit der Erweiterung seines Pflichtenkreises korrespondieren – also: „Pay-Ensure-and-Forget“. Eine transparente Erfüllung dieser Pflicht, stärkt gleichzeitig das Vertrauen in das Modell und hilft, unberechtigte Vorurteile zu vermeiden.

4. Wie sieht die von Ihnen vorgeschlagene Ausstattungssicherungspflicht konkret aus?

Ich halte es nicht für richtig, die Arbeitgeber und Pension-Buyout-Anbieter in ein enges Korsett zu zwängen. Jede Buyout-Transaktion hat ihre ganz eigenen Vorzeichen und Risiken. Als wesentliche Elemente sollte die Ausstattungssicherung gewährleisten, dass die Ausstattung zweckgemäß verwendet wird, dass die Leistungsanpassungen gem. § 16 BetrAVG gesondert gesichert werden und dass die Wahrscheinlichkeit für Wertverluste durch die Kapitalanlagestrategie des Pension-Buyout-Anbieters gesenkt wird. Ich habe in meiner Dissertation deshalb einige Sicherungsmaßnahmen untersucht, die von den Parteien implementiert werden können und aus deren Zusammenspiel im Einzelfall bewertet werden muss, ob der Arbeitgeber seiner Ausstattungssicherungspflicht gerecht geworden ist.

5. Wie sehen Sie die Zukunft des Marktes für den Pension Buy-out, insbesondere nachdem nun einige weitere Anbieter auf den Markt drängen und einige bestehende „Vorurteile“ ausgeräumt sind?

Mein Eindruck ist, dass die meisten Anbieter bereits von sich aus großen Wert auf einen risikoangemessenen Umgang mit den übernommenen Pensionsverbindlichkeiten legen. Das zeigt sich nicht zuletzt an dem Interesse an meiner Arbeit. Auf dieses Risikobewusstsein ist es auch zurückzuführen, dass sich der Pension Buy-out immer mehr etabliert. Ich bin optimistisch, dass sich das Modell auf lange Sicht zu einem Standard-Werkzeug im Umgang mit Pensionsverbindlichkeiten entwickelt – beispielsweise im Zusammenhang mit M&A-Transaktionen oder zur Durchführung einer Liquidation.

VEDRA-Fazit und offene Frage an die Leser:

Die Praxis zeigt, dass das Risikobewusstsein von Anbietern wie VEDRA Pensions bereits heute sehr hoch ist. Doch reicht das aus? Oder braucht es – ähnlich wie bei anderen Finanzprodukten – verbindliche Spielregeln, um Missbrauch zu verhindern und das Vertrauen aller Beteiligten langfristig zu sichern, sodass der Buy-out zu einem „Standardprodukt“ werden kann?

Wir von VEDRA Pensions gehen davon aus, dass sich der Buy-out in den kommenden 5-10 Jahren zu einem etablierten Werkzeug im Umgang mit Pensionsverbindlichkeiten entwickeln wird – vergleichbar mit der Entwicklung von Contractual Trust Arrangements (CTA) in den 2000er-Jahren. Aus unserer Sicht wird dabei Folgendes entscheidend sein:

  • Sicherheit durch Eigenkapital: VEDRA als Risikoträger investiert parallel zum abgebenden Unternehmen Eigenmittel in die Kapitalausstattung. Dies erfolgt nicht als formale Anforderung, sondern im Bewusstsein, dass die Funktion eines Risikoträgers auch Risikokapital erfordert. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass das Risiko einer zu geringen Kapitalausstattung der RG nachhaltig adressiert wird.
  • Vertrauen durch Transparenz: Es ist unerlässlich, dass Anbieter weiterhin nachweisbar darlegen, wie sie die erwähnten buyout-spezifischen Risiken managen.
  • Regulatorische Klarheit: Eine einheitliche Auslegung der BAG-Rechtsprechung (auch im Lichte des BilMoG) und ggf. branchenweite Standards würden die Rechtssicherheit erhöhen.
  • Erfolgsbeispiele: Die zunehmende Anzahl positiver Erfahrungen mit Pension Buy-outs in den Unternehmen auch im Zusammenhang mit den Transaktionsprozessen führt dazu, dass dieses Modell zunehmend zum Standard wird.

de_DEDE