Fünf Fragen an…..

1. Die deutschen Bilanzen sind mit Pensionsrisiken belastet – wie gehen andere europäische Volkswirtschaften damit um und wie sind ihrer Erfahrung nach ihre Bilanzen aufgestellt?

Lassen Sie mich vorausschicken, dass, wenn man über die Rente und Deutschland spricht, man sich daran erinnern muss, dass von Bismarck die Rente erfunden hat. Die Menschen sind damals einfach nicht in Rente gegangen, sondern haben gearbeitet, bis sie gestorben sind! Das war, bevor Deutschland vor fast 150 Jahren als erstes Land weltweit eine Alterssicherung einführte. Die meisten unserer umlagefinanzierten staatlichen Rentensysteme in Europa (auch als “Säule 1” bekannt) haben dieses Modell zum Vorbild.

Seither haben natürlich in jedem Land verschiedene Reformen stattgefunden. Zu den wichtigsten gehören die privaten (betrieblichen) Pensionsfonds der zweiten Säule. Auch sie blicken auf eine lange Geschichte zurück. Bereits 1875 richtete American Express in den USA die erste private betriebliche Altersvorsorge ein, bei der Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einen Pensionsfonds einzahlten. In den USA und Großbritannien hat diese Form der Altersvorsorge eine weitaus größere Bedeutung als in den meisten europäischen Ländern.

Die Rentensysteme in Europa und in der Welt sind heute sehr unterschiedlich in ihrer Struktur und ihren Merkmalen. Sie weisen ein breites Spektrum von Merkmalen und Standards auf. Es ist nicht immer einfach, Vergleiche anzustellen. In der Europäischen Union haben die Reformen der öffentlichen Rentensysteme der Mitgliedstaaten mit dem Ziel, diese auf eine tragfähigere Grundlage zu stellen, tendenziell die Entwicklung der betrieblichen Altersversorgung (zweite Säule) gefördert.

In Europa wurde mit der EU-Richtlinie IORP II (2016) auch ein gemeinsamer aufsichtsrechtlicher Rahmen für die private betriebliche Altersvorsorge geschaffen. Dieser wurde erst in den letzten Jahren von den einzelnen Ländern umgesetzt. Allerdings sind die privaten Pensionsfonds in den einzelnen europäischen Ländern nach wie vor sehr unterschiedlich aufgestellt.

In der Tat gibt es nur wenige Länder in Europa, in denen die Renten aus der ersten Säule niedrig sind, in denen es aber ein hohes Maß an privater Ersparnisbildung für die Altersvorsorge gibt (insbesondere im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge). Eine dieser Ausnahmen sind die Niederlande. Dort stammt etwa die Hälfte des gesamten Renteneinkommens aus der zweiten und dritten Säule (die erste Säule dient lediglich als Sicherheitsnetz zur Vermeidung von Armut). Dies erklärt den hohen Anteil des Pensionsvermögens am BIP (über 200%). Auf die betrieblichen Pensionsfonds in den Niederlanden entfallen etwa zwei Drittel aller derartigen Pensionen im Euroraum.

Die wachsende Bedeutung der privaten betrieblichen Altersvorsorge wird jedoch deutlich, wenn man den Nutzen und die Nachhaltigkeit der Renten in den verschiedenen europäischen Ländern analysiert. Ein Anhaltspunkt ist der Mercer CFA Institute Global Pension Index. Darin werden die Rentensysteme der Länder in eine Rangfolge gebracht. Die ersten Plätze werden von europäischen (oder eng verwandten) Ländern belegt: Niederlande, Dänemark, Finnland, Island, Norwegen oder auch Israel eint die grundsätzlich obligatorische betriebliche Altersvorsorge. Eine Ausnahme stellt vielleicht Österreich dar: Hier sind die Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge zwar obligatorisch, aber das System rangiert auf einem der hinteren Plätze, was vermutlich auf demographische Faktoren und die Tatsache zurückzuführen ist, dass das System zu großzügig ist. Auf der anderen Seite schneiden Länder wie Italien, Spanien, Griechenland oder Polen, in denen es freiwillige Systeme der zweiten Säule gibt, aufgrund der geringen Verbreitung schlechter ab. Schweden ist etwas anders: Es hat eine freiwillige, aber breit angelegte betriebliche Altersvorsorge, die ein sehr gutes Rentensystem gewährleistet.

In Spanien (und im kleinen Andorra, dem Land, in dem ich lebe!) sind es nur die großen Unternehmen, die Beschäftigungspläne für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben. Bei den kleinen und mittleren Unternehmen ist dies weniger der Fall. Die Durchdringung ist noch gering, aber die Systemreformen begünstigen ihr künftiges Wachstum aus denselben Gründen, die wir bereits diskutiert haben. In der Regel werden sie über Fondsvehikel umgesetzt (Beteiligung des Arbeitnehmers am Risiko, ohne Zusage von Leistungen – DB). Den Arbeitnehmern werden verschiedene Risikoprofile angeboten, die sie je nach ihren persönlichen Bedürfnissen und ihrem Alter wählen können. Um die Unabhängigkeit der Fondsverwaltung zu gewährleisten, verfügen die Pläne immer über eine Kontrollkommission und das Vermögen ist getrennt. In der Regel ist auch ein externer unabhängiger Berater Mitglied der Kommission, um die professionelle Anlageverwaltung und den Schutz der Interessen der Begünstigten zu stärken.

Bei der MoraBanc haben wir zum Beispiel eine freiwillige beitragsorientierte betriebliche Altersvorsorge (defined contribution, DC). Der Arbeitnehmer hat die Wahl zwischen vier verschiedenen Anlagestrategien mit unterschiedlichen Renditeerwartungen und Risikoprofilen (Sie können jedes Jahr zwischen ihnen wechseln). Der Arbeitgeber stockt Ihre Beiträge auf, wenn Sie aus Ihrem Gehalt einen Beitrag in den Plan einzahlen (wir haben auch fünf Optionen für die Höhe des festgelegten Beitrags). Es handelt sich um eine versicherte Rente, die während der Laufzeit des Plans steuerfrei wächst und erst bei Auszahlung steuerpflichtig wird. Die Mittel werden außerhalb der Bilanz gesondert ausgewiesen, und das finanzielle Risiko wird vom Begünstigten getragen. Die Kontrollkommission ist das Verwaltungsorgan des Plans. Es handelt sich hierbei um ein erfolgreiches System der freiwilligen, vom Arbeitgeber gesponserten Pläne, das wahrscheinlich ein wichtiger Bestandteil der bevorstehenden Reformen des allgemeinen Rentensystems des Landes sein wird.

2. Wann ist es Ihrer Meinung nach an der Zeit, sich mit diesen Fragen auseinander zu setzen?

Ich verstehe, dass die höheren Zinssätze es den privaten betrieblichen DB-Plänen ermöglicht haben, einen höheren Diskontsatz zu verwenden, um ihre Rentenverpflichtungen zu bewerten. Aber, wie Sie bereits gesagt haben, gibt es immer noch viele betriebliche Systeme, die erhebliche finanzielle Risiken in ihren Bilanzen haben. In der jüngsten Vergangenheit konnten wir beobachten, wie sich Überschüsse aufgrund von Bewegungen an den Finanzmärkten auflösten. Dies war erst vor einem Jahr der Fall (denken Sie z.B. an die britische Rentenkrise). Auch in Niedrigzinsphasen, wie wir sie vor einigen Jahren erlebt haben. Die Zinssenkungen der Zentralbanken in den kommenden Monaten, eine mögliche Rezession und die aktuelle geopolitische Lage bergen erhebliche Risiken für die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität und Solvenz solcher Privatpläne.

Mit anderen Worten, jetzt könnte der richtige Zeitpunkt sein, um über einen Risikotransfer von den Sponsorunternehmen zu spezialisierteren Finanzinstituten wie VEDRA nachzudenken. Wie wir bereits gesehen haben, werden die stärksten europäischen Systeme von Fonds oder spezialisierten Finanzinstituten verwaltet.

3. Was sind Ihre Gedanken/Überlegungen bei der Anlage von Pensionsvermögen in Bezug auf die Asset Allokation und maßgeschneiderte Anlageentscheidungen unter Berücksichtigung des langfristigen Charakters dieser Pensionsvermögen? Welches sind Ihrer Erfahrung nach die wichtigsten Punkte?

Eine strategische Asset Allokation sollte immer auf der Grundlage Ihrer spezifischen finanziellen Ziele erfolgen. Im Falle von Pensionsplänen sind die wichtigsten Anlageziele natürlich die Gewährleistung angemessener und nachhaltiger Leistungen für die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, die Erzielung eines optimalen Verhältnisses zwischen Risiko und Rendite sowie die Sicherstellung ausreichender Liquidität, um alle Pensionsleistungen bei Fälligkeit zu zahlen. Meines Erachtens ist ein Asset-Liability-Management-Ansatz (ALM) der wichtigste Ansatzpunkt, um diese Fonds zu verwalten. Für die Verwaltung kapitalgedeckter Pläne, insbesondere DB-Pläne, aber auch DC-Pläne, müssen diese Risikomanagementtechniken eingesetzt werden. Es geht nicht nur darum, das Vermögen zu verwalten wie bei einem offenen Long-only-Fonds. Dieser Irrtum ist in der Welt der Altersvorsorge weit verbreitet. Es geht vielmehr darum, das Verhältnis von Risiko und Ertrag zu optimieren und dabei gleichzeitig eine Reihe von finanziellen und versicherungstechnischen Verpflichtungen zu erfüllen. Ein guter Governance-Rahmen für Investitionen ist ein weiterer Schlüsselfaktor. Die Umsetzung und Ausführung wird gegebenenfalls an Unterausschüsse (z. B. einen Anlageausschuss für Anlageentscheidungen) oder an Dritte wie unabhängige Berater und Vermögensverwalter delegiert. Darüber hinaus ist es wichtig, dass das Aufsichtsgremium und seine Mitglieder über ausreichende Fachkompetenz und Anlageerfahrung verfügen. Darüber hinaus sollten sie sich auch möglicher Interessenkonflikte (z.B. Vertretungsfragen) bewusst sein, die sie haben könnten, wenn es um die Anlagen des Systems geht. Nach meiner Erfahrung sind diese Punkte von entscheidender Bedeutung, um Fehler zu vermeiden. Entsprechend dieser unterschiedlichen Zielsetzungen passen wir in unserem System der unterschiedlichen Risikoprofile auch die Standard Asset Allokation an. Grundlage für die strategische Allokation in einem diversifizierten Anlageuniversum sollten langfristig erwartete Renditen und Risikokennzahlen sein. Für Pensionspläne bedeutet dies, dass bestimmte Anlageklassen, wie z.B. Aktien, eine wichtigere Rolle spielen als bei kurzfristigen Anlagen. Wenn man langfristig investiert, sollte man sich die geringere Varianz von Aktien zu Nutze machen.

Im Hinblick auf taktische Entscheidungen besteht die Herausforderung für ein aktives Management darin, Kapital in Aktien oder Kreditanlagen zu investieren, wenn sich die relative Differenz zwischen der Kapitalrendite und dem Geldmarktzins vergrößert, und sich aus Aktien zurückzuziehen, wenn die erwartete Kapitalrendite (aufgrund hoher Bewertungen oder enger Kreditspreads) im Verhältnis zum Geldmarktzins sinkt.

Weitere relevante Anlageoptionen, die bei der Verwaltung eines Pensionsplans zur Verfügung stehen, sollten sein: inflationsgeschützte Anlagen (inflationsindexierte Anleihen, Sachwerte usw.) und alternative Anlagen (private Märkte oder auch einige liquide Alternativen mit niedrigem Beta, wenn sie einen echten Diversifizierungsvorteil bieten).

4. Was sollte Ihrer Meinung nach das Ziel sein, wenn man die aktuelle Entwicklung der Zinsen und der Kerninflation sowie andere Risiken betrachtet?

Die Konzentration der Aktienindizes auf einige teure Technologiewerte ist derzeit eines der größten Risiken an den Märkten. Deshalb würde ich zu einer stärkeren Allokation in aktiv gemanagten Aktienportfolios im Vergleich zu passiven Strategien raten. Dies ist eine Möglichkeit, von der Aufwärtsbewegung der Märkte aufgrund der Bewertungsunterschiede zwischen Sektoren und Regionen zu profitieren.

Auf der Seite der festverzinslichen Wertpapiere sind die realen Zinsen nicht sehr attraktiv, wenn man die Differenz zwischen den Renditen langfristiger Anleihen und dem Niveau der Inflation betrachtet. Eine steilere Zinsstrukturkurve könnte Anleihen mit langen Laufzeiten attraktiver machen, wenn die Zentralbanken die Zinsen senken und sich die Konjunktur erholt. Inflationsindexierte Anleihen sind eine interessante Alternative, um sich gegen Inflationsrisiken abzusichern, und sie sind derzeit günstig bewertet.

5. Sollte der „private“ Markt bei den Pensionsvermögen eine Rolle spielen?

In den letzten zehn Jahren haben die Unternehmen die privaten Kapitalmärkte zunehmend zur Beschaffung von Mitteln zur Finanzierung des Wachstums ihrer Unternehmen in Anspruch genommen. Dies hat sowohl auf den Eigenkapitalmärkten als auch auf den Fremdkapitalmärkten stattgefunden. Die Zahl der börsennotierten Aktien, die nicht wirklich zugenommen hat, und der Markt für private Schuldverschreibungen, der inzwischen genauso groß ist wie der Markt für (börsennotierte) hochverzinsliche Anleihen, sind gute Indikatoren für diese Entwicklung.

Dies bedeutet, dass die privaten Märkte in die Anlagestrategien von Pensionsplänen einbezogen werden sollten. Pensionspläne können sich die Illiquidität dieser Anlageklassen leisten und gleichzeitig ihr Diversifikationspotenzial nutzen. Allerdings handelt es sich hierbei um hochspezialisierte Anlagemöglichkeiten, die in der Regel einen erfahrenen Vermögensverwalter mit entsprechenden technischen Fähigkeiten erfordern.